PV-Strom für Mehrparteiengebäude: Auf die Plätze, fertig, … los?
Das im April 2024 beschlossene Solarpaket I brachte etliche Vereinfachungen zum Ausbau und Nutzung von Photovoltaik. Für Haus- und Wohnungseigentümer haben sich einige Punkte beim Mieterstrom geändert und ein neues Modell zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist dazu gekommen. Wie sieht es nun in der Praxis aus?
Im Gegensatz zum typischen Bremer Haus erfreuen sich viele Mehrparteiengebäude links und rechts der Weser einer großen Dachfläche. Ist diese grundsätzlich für PV geeignet, eröffnen sich interessante Perspektiven. Die Grundregel dabei lautet: PV lohnt sich vor allem dann, wenn ich möglichst viel vom selbst erzeugten Strom für meinen Eigenverbrauch nutzen kann. Doch bei mehreren Eigentümern oder Mietern unter einem Dach beginnen genau hier die Probleme, denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen nur Spielraum für ganz bestimmte Betreibermodelle.
Mieterstrom – große Nummer
Mieterstrom für Photovoltaikanlagen ist ein erprobtes und erfolgreiches Modell für Mehrparteiengebäude. Die zusätzliche Förderung macht es besonders attraktiv. Allerdings ist kaum eine Hausverwaltung oder Eigentümergemeinschaft bereit oder in der Lage, den Mess- und Verwaltungsaufwand selbst zu tragen. Gesucht wird also ein Dienstleister, der als Voll-Service (Contractor) oder Teil-Service (Messstellenbetrieb, Verträge) einspringt und dafür verständlicherweise entlohnt werden möchte. Das Problem: Die meisten Dienstleister winken bei Objekten mit weniger als 20 Wohneinheiten ab. Anbieter muss man bundesweit recherchieren. In Bremen ist bislang erst ein Dienstleister bekannt, der in diesen Markt einsteigt.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung – tolle Sache, in der Theorie
Ein neues Modell soll die gemeinschaftliche Nutzung von PV-Strom erheblich erleichtern. Der Betreiber der PV-Anlage – das kann auch die WEG sein – schließt mit allen Wohnungs-
eigentümern auf freiwilliger Basis einen Gebäudestrom-nutzungsvertrag zur Abnahme des PV-Stroms ab. Er muss im Gegensatz zum Mieterstrommodell nicht die Vollversorgung sicherstellen. Gebäude mit 10 oder weniger Wohneinheiten können dieses Modell voraussichtlich wirtschaftlich nutzen, jedoch auch hier geht es nicht ohne externen Dienstleister. Denn für jede Wohneinheit müssen Messprotokolle ganzjährig im Viertelstunden-Takt erfasst und abgerechnet werden. Das geht nur mit einer entsprechenden Mess-Infrastruktur und spezieller Software.
Zwar hat der Gesetzgeber für diese Rolle den regionalen Netzbetreiber vorgesehen, doch die winken zwischen Flensburg und Passau verständlicherweise ab. Sind sie doch mit Netzausbau und Smart-Meter-Rollout ausgelastet und haben sich auf ein neues Solar-Modell noch nicht eingestellt. Anbieter von Mieterstrommodellen haben ebenfalls wenig Interesse an einer gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung. Lieber wollen sie ihre bestehenden Modelle verkaufen und haben gegenüber Anbietern, die Messstellenbetreiber als Partner im Boot haben, ohnehin einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Damit ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung eine vielversprechende Lösung, aber bislang nur auf dem Papier.
Was tun? – andere Betriebsmodelle
Die Modelle Mieterstrom und gemeinschaftliche Stromversorgung haben zwei Punkte gemeinsam: Möglichst viel PV-Strom wird selbst genutzt und muss so nicht vom Strom-
anbieter zu einem höheren Preis eingekauft werden und es geht nicht ohne Dienstleister. Ein Leitfaden der Energieagentur Regio Freiburg informiert darüber hinaus ausführlich und übersichtlich zu diesen und weiteren Betreibermodellen (Link s.u.). Die Modelle unterscheiden sich nach den Rahmenbedingungen vor Ort und hinsichtlich des Arbeitsaufwandes und Wirtschaftlichkeit für den Eigentümerbzw. die Gemeinschaft.
Wenn nichts geht, geht Einzelanlage
In der WEG-Praxis ist der Konsens für eine gemeinschaftlich genutzte PV-Anlage bislang eher die Ausnahme als die Regel – bedauerlicherweise auch bei idealen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen. energiekonsens, die gemeinnützige Klimaschutzagentur für das Land Bremen, berät Eigentümergemeinschaften kostenlos und unabhängig. Aus der Beratungspraxis ist eine größere WEG aus Bremerhaven bekannt, bei der ebenfalls kein Beschluss für eine gemeinschaftliche Anlage erzielt werden konnte. Im Ergebnis wurden auf der Dachfläche 15 separate, voneinander baulich getrennte PV-Anlagen von einzelnen Wohnungseigentümern installiert und die Nutzung über eine so genannte Dachpacht mit der Gemeinschaft geregelt. So absurd dieses Beispiel klingt, so reflektiert es doch den Handlungsbedarf für weitere Vereinfachungen und Erleichterungen zur PV-Nutzung bei Mehrparteiengebäuden.
Fazit – Gut beraten starten!
Haus- und Wohnungseigentümer mit 20 oder mehr Wohneinheiten und geeigneten Dachflächen sollten sich schon jetzt zu Mieterstrom und anderen Betreibermodellen
informieren und entsprechende Angebote einholen – es könnte sich lohnen.
Praxistaugliche Modelle für eine gemeinschaftliche Gebäudeversorgung können erst im nächsten Jahr erwartet werden, versprechen aber auch für kleinere Gebäudeeinheiten eine
wirtschaftliche Lösung. Aufgrund der aktuell niedrigen Investitionskosten ist gerade bei größeren Anlagen eine Volleinspeisung in das Netz zu überlegen, um dann beizeiten auf eine gemeinschaftliche Gebäudeversorgung umzustellen. Der Wechsel zu anderen Betreibermodellen ist jederzeit mit wenig Aufwand möglich. Das bedeutet, Eigentümer sollten bis dahin nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sich bereits jetzt informieren und beraten lassen und das Thema in die Gemeinschaft frühzeitig einbringen.
Von Christoph Felten, Projektmanager Solar bei energiekonsens, der gemeinnützigen Klimaschutzagentur für das Land Bremen
Weitere Informationen:
Online-Vortrag "Photovoltaik auf Mehrparteienhäusern nutzen"
Di, 24.09.2024, 17:30 bis 19 Uhr
Hier den Vortrag anschauen
Kostenfreie und unabhängige Information und Beratung für WEG im Land Bremen (gefördert): solar-in-bremen.de
Leitfaden zu Photovoltaik auf Mehrparteienhäusern und Beratung hierzu: energieagentur-regio-freiburg.eu/pv-mehrparteienhaus/
Musterverträge der DGS Franken (juristisch geprüft): dgs-franken.de